Japan hat mich gleich zwei Mal in seinen Bann gezogen. Mein Versuch die Sprache zu lernen ist zwar leider gescheitert, aber das hat mich nicht davon abgehalten, mich in die heißen Quellen zu verlieben, in einem buddhistischen Tempel zu meditieren, und an einem See mit Ausblick auf den Vulkan Fuji zu zelten. Ich habe mich in den bunten Straßen von Tokio verlaufen, das Museum der berühmten Ghibli-Studios besucht und bin mit einer Reisegruppe der etwas anderen Art von Tokyo bis Kyoto gefahren. Aber von vorne:
Fasziniert hat mich an Japan schon immer die vielseitige Kultur – wozu sicher auch Anime und Manga ihren Teil beigetragen haben. Immerhin hat diese Kunstform unserer Generation schon in jungen Jahren erste Einblicke in das japanische Leben und Denken vermittelt. Zurecht haben diese Geschichten sofort die Herzen vieler Leser und Zuschauer weltweit erobert. Denn Japan ist so widersprüchlich und spannend, so distanziert und liebenswert, seine Geschichte manchmal tragisch und stolz zugleich.






Begonnen hat meine Reise in Chiba, einer Region unweit von Tokyo. Dort durfte ich bei einer japanischen Familie leben, habe zwei Kinder betreut und mich in diesem Rahmen erstmal der Kultur angenähert. Japan war nämlich meine erste große Auslandsreise und entsprechend war ich auf den harten Kulturschock gefasst. Mein erstes Erdbeben habe ich tatsächlich schon am zweiten Tag erlebt. Zum Glück war es nur ein kleines – und blieb tatsächlich auch das einzige auf meiner gesamten Reise. An den Linksverkehr hatte ich mich schnell gewöhnt, schwieriger war es mit fermentierten Sojabohnen, auch Natto genannt. Obwohl ich einen Sprachkurs vor Ort gemacht habe, und die Silbenalphabete einigermaßen lesen kann, ist Japanisch ein kleines Mysterium für mich geblieben. Zum Glück sprach meine Gastmutter aber ziemlich gut Englisch und hatte auch den Wunsch, dass ihre Kinder die Sprache lernen, das hat es mir natürlich um Welten leichter gemacht.




Da Chiba eine kleine Stadt ist, durfte ich in den ersten Wochen noch den ruhigen und grünen Teil des Landes genießen. Der große Vorteil am Kontakt zu Einheimischen ist, dass man das Leben von einer sehr authentischen Seite kennen lernt. So wurde ich von der Familie beispielsweise auch zu einem kleinen Omatsuri (das sind Festivals zu bestimmten Anlässen) in der Nachbarschaft der Oma mitgenommen. Einen Freund der Familie  durfte ich zum traditionellen Kendo begleiten – und zur gemeinsamen Meditation in einem kleinen, buddhistischen Kloster. In Japan leben sehr wenige Ausländer, deshalb sind viele Einwohner trotz ihrer traditionell eher zurückhaltenden Art sehr neugierig und aufgeschlossenen gegenüber Besuchern. Ein traditioneller Dojo in der Nähe erlaubte mir sogar am Karate-Training teilzunehmen. Da ich während meines Studiums in Deutschland Taekwondo trainiert hatte, war es eine besonders spannende Erfahrung für mich, die japanische Kampfsportart von einer so authentischen Seite erleben zu dürfen.






Schon vor meinem Abflug nach Japan hatte ich geplant, mich nach der Zeit in Chiba dem sogenannten Wishclub anzuschließen. Über Couchsurfing war ich auf den Reiseleiter Mochan und sein Konzept aufmerksam geworden, und mir war klar, dass es sich um eine besondere Art der Reise handeln würde. Aber ich hatte keine Ahnung, wie wunderbar und verrückt diese zwei Wochen tatsächlich sein würden. Obwohl ich anfangs ein wenig skeptisch war, wurde die Gruppe um Mochan schnell zu meiner zweiten japanischen Familie, und der gemeinsame Trip zu einer unvergesslichen Erfahrung!
Mochan ist ein unglaublich lebensfroher und warmherziger Mensch, dessen erklärte Leidenschaft es ist, internationale Freundschaften und Begegnungen zu fördern. Meiner Meinung nach hat er für dieses Projekt eine besondere Auszeichnung verdient! Als ich auf einer riesigen Kreuzung am Bahnhof Marunouchi in seinen blauen Kleinbus stieg, fühlte ich mich auf Anhieb wohl. Und die darauf folgenden zwei Wochen waren eine Art wahr gewordener Roadtrip-Anime!




Die ersten beiden Nächte verbrachten wir bei Mochan zuhause, später schliefen wir bei Freunden von ihm. Überall wurden wir herzlich aufgenommen und die Menschen hatten Spaß daran, uns das Land und seine Kultur mit all seinen Facetten näher zu bringen. Abends wurde gemeinsam gekocht, gegessen und natürlich getrunken. Zu einigen Mitreisenden aus dieser besonderen Zeit habe ich heute noch Kontakt.

Die beiden Bilder sind übrigens bei der Kimono-Experience entstanden. Wir durften das oben abgebildete Haus für ein Shooting in traditioneller Atmosphäre nutzen und hatten auf dem Weg nach Kyoto noch eine Menge Spaß - unter anderem in einer Wasabi-Fabrik (auch wenn wir geweint haben), bei einer Teezeremonie, und bei der abschließenden Übernachtung in einer alten Berghütte. Weitere Informationen zu Mochan und seinem legendären Wishclub findet ihr übrigens sowohl auf Youtube als auch bei Facebook.






Insgesamt haben es mir die Tempel und wundervollen Naturschauplätze in Japan besonders angetan. In den großen Städten habe ich mich schnell überfordert gefühlt – wobei die bunte Vielfalt an Restaurants, Bars, Einkaufsstraßen und die Architektur der großen Straßen in Tokyo (die teilweise einfach über der Stadt verlaufen) wirklich beeindruckend ist. Die großen Tempel hingegen, auch wenn sie von vielen Touristen besucht werden, haben jeder ihren ganz eigenen Charme: Auf dem weitläufigen Gelände des Todai-ji in Nara beispielsweise leben zutrauliche Rehe, die man füttern darf. Die Tiere gehören seit jeher zum Stadtbild, werden als heilige Wesen verehrt und ziehen nicht nur ausländische, sondern auch nationale Besucher an.
In Nara kann man gut einen Tag verbringen um den weitläufigen Tempel auf sich wirken zu lassen, eine der größten Buddha-Statuen Japans in seinem Zentrum zu besuchen, und natürlich die süßen Rehe zu beobachten, die schnell zu einem meiner liebsten Fotomotive wurden.




 Schreiben in Japan! Wie ihr wisst bin ich ein notorischer Schreibjunkie. In der Zeit vor meiner Reise war ich allerdings auf hartem Entzug. Das Studium hatte mich im Griff – zum Leidwesen meiner Herzensprojekte. Insgeheim musste sich aber wohl doch eine Idee in meinen Kopf geschlichen haben. Denn kaum auf Reisen, ging es plötzlich los ...


 In Fukuoka schrieb ich dann fast die gesamte Rohfassung über die Reise meiner Protagonistin, die sich auf der Flucht in einen Jugendfreund verliebt. Bei der nächsten Buchmesse stellte ich das Projekt einem sympathischen Verleger vor, der auf Anhieb von der Idee überzeugt war und die Geschichte veröffentlichen wollte. Leider verlief sich die Sache im Sand, nachdem ich auf den vermeintlich professionellen Rat meiner damaligen Agentur vertraut hatte, das Buch lieber größeren Verlagen anzubieten. Immerhin ein Gutes hatte die Sache: sie gab mir den Anstoß, eine neue Agentur zu suchen.






Bei all der gepriesenen Vielseitigkeit habe ich noch kein Wort über das japanische Essen verloren! Da meine Reise einige Jahre zurückliegt und ich aus Mangel an guten Bildern leider nicht so viel zum Thema Essen vorweisen kann, gibt es an dieser Stelle nochmal den berühmten Blick durch die Tore des Fushimi Inari-Taisha in Kyoto.
Neben den Onsen, also den heißen Quellen, war das Essen etwas, das mir nach meiner Rückkehr am meisten gefehlt hat. Die japanische Küche legt traditionell großen Wert darauf, Speisen möglichst schonend und ursprünglich zuzubereiten. Das Ergebnis ist ein besonders intensives und unverfälschtes Geschmackserlebnis. Aber auch die kleinen Törtchen und Süßigkeiten hatten es mir angetan. Ich habe Freudensprünge gemacht, als in Stuttgart endlich die ersten Ramenbar eröffnet wurde – und hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sich dieser Trend durchsetzen würde. Nach einer Ramenbar, die mit den dampfenden Suppenküchen in Fukuoka mithalten kann, suche ich allerdings bis heute.




 Weil Tokyo zentraler Dreh- und Angelpunkt meiner Reise war, muss ich abschließend noch ein paar Worte zu dieser atemberaubenden Metropole loswerden. Tokyo ist überwältigend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn man nicht genau weiß, wo man hin will, geht man verloren. Zumindest war das mein Gefühl – denn Cafés, Tierarztpraxen, Büros, Wohnungen und Boutiquen stapeln sich manchmal in einem Gebäude übereinander, versehen mit bunt leuchtenden Schildern, die ich natürlich nicht immer entziffern konnte.

Trotz aller Extreme schaffen es Japaner, Ordnung zu halten. Niemand würde auf die Idee kommen, sich in einer Schlange vorzudrängeln, sogar vor dem Fernzug wird in ordentlicher Reihenfolge gewartet. Eine teure Kamera und selbst das Portmonnaie kann man getrost im Café vergessen. Wenn man zwei Stunden später wiederkommt, sind die Sachen garantiert noch da. Diese faszinierende Einheit von Ordnung und Chaos ist nur einer der Widersprüche, die Japan so spannend machen. Ja – es gäbe noch viel zu erzählen ...

 





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